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KOPF.HERZ. HAND.WERK. 75 JAHRE JAGGI+HAFTER

«In diesem Moment wollte ich fliegen»

Jahrgangsbester, zuverlässig, fleissig: Mohammad Rezai bestreitet seine Ausbildung bei Jäggi+Hafter mit Bravour. Eine beachtliche Leistung des Maurer-Lehrlings – mit einer bewegenden Vorgeschichte.

Mohammad Rezai absolviert bei Jäggi+Hafter AG die Lehre zum Maurer EFZ. Sein Berufsattest schliesst er als Bester seines Jahrgangs ab – ein grosser Erfolg. Doch nicht nur seine Noten überzeugen: In seinem Arbeitsumfeld gilt er als sehr respektvoll, diszipliniert, pünktlich und auch sehr lernbegierig. Ein «super Typ», wie es heisst. Was viele im Unternehmen jedoch lange nicht wussten: Mohammad hat eine ganz besondere Geschichte.

«Mit 17 Jahren habe ich Afghanistan alleine in Richtung Iran verlassen – um dem Krieg zu entkommen». Was Mohammad auf seiner Flucht erlebt hat, berührt. Er berichtet von der Arbeit auf einer Hühnerfarm, um die gefährliche Reise finanzieren zu können. Von anderen verletzten Flüchtlingen, die über mehrere Kilometer auf den Schultern getragen wurden. Vom selbstgebastelten Gummiboot, mit dem er nach Europa gelangt ist. Und davon, dass ihn die Polizei danach ständig begleitet hat. Bis er in Heidelberg ankam: «Der Polizist sagte zu mir: Nun kannst du gehen, wohin du willst, bei uns ist hier Schluss». Man spürt, wie sehr ihn diese Erinnerungen immer noch prägen.

 

Eine andere Lebensrealität

Am 5. Dezember 2015 erreicht Mohammad die Schweiz. Ein Land, dessen Kultur und Gepflogenheiten er nicht kennt. «In Zürich am Hauptbahnhof rannten die Menschen an mir vorbei. Ich fragte mich, ob etwas passiert sei.» Mohammad lacht. «Später habe ich dann verstanden, dass man einfach den nächsten Zug erwischen muss». Hier angekommen, wird er von einem Asylzentrum ins nächste gebracht. In Bülach schliesslich bleibt er zweieinhalb Jahre. Es sei eine herausfordernde Zeit gewesen: «Man konnte nicht viel machen - es bleibt einem nur auf den Bescheid der Behörde zu warten.» Mohammad konzentriert sich auf die wenigen Deutschstunden, welche er von der Gemeinde bekommt. Seine Deutschlehrerin und ihr Mann helfen ihm, sich in der Schweiz zurechtzufinden.

In Zürich am Hauptbahnhof rannten die Menschen an mir vorbei. Ich fragte mich, ob etwas passiert sei.

Mohammad Rezai

 

Im Sommer 2018 erhält er seine erste Bewilligung und kann einen Deutsch-Intensivkurs besuchen. Nun ist er auch befugt zu arbeiten. «Über meine Sozialarbeiterin bin ich schliesslich zum RIESCO-Programm und später auch zu Jäggi+Hafter AG gekommen.» Nach einem dreimonatigen Praktikum beginnt er schliesslich das Berufsattest als Maurer. Auf der Baustelle sei es erst schwierig gewesen, sagt Mohammad: «Alle haben Schweizerdeutsch gesprochen und ich habe Hochdeutsch gelernt.» Einmal habe ihn ein Mitarbeiter gebeten, ein „Schüfeli“ zu bringen. Nachdem er ihm auf hochdeutsch erklärt hatte, was er meint, war das kein Problem mehr für Mohammad.

Sicherheit und Stabilität

Neben dieser schnellen Auffassungsgabe schätzt man bei Jäggi+Hafter AG an Mohammad auch seine Zuverlässigkeit, seine ruhige Art sowie seine Disziplin und die Qualität seiner Arbeit. Dies bestätigt auch Polier Nino Cirianni, der ihn anfangs auf der Baustelle begleitete. «Zu Beginn war Mohammad noch etwas scheu, aber immer sehr anständig, immer pünktlich.» Mit der Zeit habe man ihm mehr Verantwortung gegeben, er sei selbstbewusster geworden – Der Respekt vor anderen sei immer geblieben. Auch der Lehrlingsbeauftragte Michel Graber hat lobende Worte für Mohammad: «Er ist sehr zuverlässig und der zwischenmenschliche Respekt ist für ihn selbstverständlich. Man spürt bei ihm, dass er weiss, was das Leben wert ist und schätzt, dass er Teil unseres Teams ist.»

Die Hilfsbereitschaft, welche ich erfahren durfte, hat mich geprägt.

Mohammad Rezai

 

Seine Disziplin, sagt Mohammad, käme auch von seiner Flucht und von dem, was er dabei erlebt habe. «Die Hilfsbereitschaft, welche ich erfahren durfte, hat mich geprägt.» Er wolle seine Chance hier nutzen. Und er sei der Firma Jäggi+Hafter AG enorm dankbar, dass man ihm diese Chance gebe. An der Schweiz schätze er am meisten, dass er den Menschen und dem System vertrauen könne. «Zu Beginn hier in der Schweiz konnte ich nicht gut schlafen – die Gedanken an die Ereignisse auf der Flucht haben mich verfolgt.» Dies habe sich aber stetig gebessert, auch dank seiner Ausbildung und der Stabilität, welche er dadurch erfahren habe. Man spürt, dass er nicht zuletzt durch seine Arbeit neues Selbstvertrauen fassen konnte.

 

Starke Erinnerungen

Auch ausserhalb des Arbeitsplatzes hat Mohammad Halt gefunden. Er lebt mit zwei afghanischen Freunden in einer WG, geht gerne in die Natur oder kocht mit Freunden ­– auch Gerichte aus der Heimat. Die Erinnerungen an eben diese Heimat sind nach wie vor stark: Er erzählt von trockenen Sommern und kalten Wintern in Afghanistan. Von Volleyballspielen mit seinen Freunden, dem Essen, Dari – der Sprache Afghanistans. Regelmässig telefoniert er mit seiner Familie. Dass diese jemals auch flüchten könne, sei aufgrund der politischen Lage aber unwahrscheinlich, sagt Mohammad.

Für die Zukunft wünscht er sich, dass er seine Lehre abschliessen kann. Danach schaue er weiter. Er könne sich gut vorstellen, einmal als Vorarbeiter oder Polier zu arbeiten. Angesprochen auf seine herausragende Leistung beim Berufsattest, meint er: «Das war ein schöner Tag für mich. In diesem Moment wollte ich fliegen vor Freude.»

Mohammad Rezai ist über das Integrationsprogramm von RIESCO zu Jäggi+Hafter gekommen. Das Programm wurde geschaffen, um Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen in die Berufswelt zu integrieren und ihnen damit eine Perspektive zu geben. Während elf Monaten können diese eine praxisbezogene Ausbildung absolvieren. Ziel ist der Eintritt in den ersten Arbeitsmarkt oder eine berufliche Grundbildung. Die Integrationsvorlehre wird für die Branchen Bau, Pflege, Gastronomie sowie Gebäude- und Automobiltechnik angeboten.

Text Delia Freitag

Foto Gion Pfander

«Vieles hängt von unseren Mitarbeitern ab»

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