KOPF.HERZ. HAND.WERK. 75 JAHRE JAGGI+HAFTER
Zwischen Ihnen liegen zwei Generationen: Lukas Dürr und Hans Neugel diskutieren, was sich in den letzten 60 Jahren alles verändert hat im Baugewerbe.
Lukas Dürr: Wenn Sie sich heute zurückerinnern: Was war ein prägendes Erlebnis für Sie, als Sie Anfang der 60er-Jahre bei Jäggi+Hafter angefangen haben?
Hans Neugel: Ich sass damals im Baubüro auf einer grossen Industrie-Baustelle. Ein Stahlbauer schweisste auf einer Höhe von rund 10 oder 12 Metern Stahlträger zusammen. Er war ungesichert und stürzte ab. Wir sind alle furchtbar erschrocken. Aber der Mann hatte riesiges Glück: Er landete auf frischem Aushub, der seinen Aufprall auffing, und überlebte abgesehen von einigen Prellungen praktisch unverletzt.
Dürr: Unglaublich! Kam er ins Krankenhaus?
Neugel: Nein, er ruhte sich etwas in einer unserer Baubarracken aus (lacht). Das waren damals noch keine schönen Container, sondern wurden von unserem Zimmermann aufgestellt. Geheizt wurde in einem kleinen Öfeli mit Abfallholz. Es war oft recht kalt in den Baracken.
Dürr: War Alkohol damals ein Thema auf den Baustellen?
Neugel: Alkohol gehörte dazu. Eine Episode dazu, damals war ein Polier aus Brugg, der neu zu Jäggi+Hafter kam, für den Nachschub verantwortlich. Er bestellte immer Salmenbräu-Bier. Das mochten aber die meisten Leute nicht. Bebbi – ein kräftiger und fleissiger Mann – griff zur Selbsthilfe: Er nahm sich von zuhause jeweils noch einen Sportsack Feldschlösschen mit, zusätzlich zum Harass Salmenbräu, der bei schweisstreibender Arbeit immer neben ihm stand.
Dürr (lacht): Das ist heute undenkbar. Alkohol während der Arbeit ist auf den Baustellen kein Thema mehr. Was aber immer noch funktioniert: Der Magaziner bestellt die Getränke – kein Bier, darum entfallen auch die Diskussionen darüber, ob es gut oder schlecht ist – aber Kaffee oder auch Süssgetränke. In den Containern gibts auch kleine Küchen, auf den grösseren Baustellen kocht der Magaziner für die ganze Belegschaft. Grundsätzlich leiden wir in heute in der Baubranche aber unter diesen alten Geschichten. Man hat oft das Gefühl, es werde auf den Baustellen getrunken. Dabei steht heute die Sicherheit der Mitarbeitenden an oberster Stelle. Alkohol ist ein Tabu während der Arbeit, und sollte doch mal ein Unfall passieren, wird die Ursache von der Versicherung genau abgeklärt.
Grundsätzlich leiden wir heute in der Baubranche aber unter diesen alten Geschichten. Man hat oft das Gefühl, es werde auf den Baustellen getrunken. Dabei steht heute die Sicherheit der Mitarbeitenden an oberster Stelle.
Lukas Dürr
Neugel: Diese Vorurteile halten sich hartnäckig.
Dürr: Ja, mich stört das ganz massiv. Als ich vor 20 Jahren angefangen habe, war die Helmtragepflicht noch nicht überall angekommen. Das musste noch durchgesetzt werden. Aber Absturzsicherung oder Alkoholverbote während der Arbeit waren schon damals eine Selbstverständlichkeit. Und doch: Noch heute geistern diese Bilder durch die Köpfe.
Neugel: Es gab einige legendäre Spezialisten, die Akkordschaler und Akkordeisenleger zum Beispiel. Wenn es regnete, verzogen die sich immer in eine Beiz. Regnete es zu lang, konnte man mit denen meistens nicht mehr viel anfangen.
Dürr: Akkordunternehmer gibt’s heute noch. Aber dass die einfach verschwinden, wenn’s nach Regen aussieht, kommt kaum mehr vor. Das geht schon nicht mehr, weil wir die Termine eisern einhalten müssen.
Neugel: Nur damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Die Termintreue war bei Jäggi + Hafter schon immer eine Ehrensache. Wir bauten damals zum Beispiel den Hoteltrakt des Novaparks und des Hilton-Hotels mit engen Zeitplänen.
Die Termintreue war bei Jäggi+Hafter schon immer eine Ehrensache.
Hans Neugel
Dürr: Heute sind teilweise Konventionalstrafen üblich, wenn man in Verzug gerät. Gab es das damals auch schon?
Neugel: Es gab Termindruck, aber Konventionalstrafen waren eher selten.
Dürr: Ist man nur schon eine Woche zu spät, würde uns das viel Geld kosten.
Neugel: Das muss man auch verstehen. Gerade unter den Generalunternehmern herrscht eine grosse Konkurrenz, der Preisdruck ist gross. Dieser wird an die Partner weitergegeben. Es geht halt am Schluss immer ums Geld. Daraus kann man aber niemandem einen Vorwurf machen.
Dürr: Das finde ich auch. Es gibt Dinge, die den Bauherrn mit dem Bauunternehmen verbinden, und solche, die sie trennen. Geld ist eher ein trennender Faktor (lacht). Zwei verbindende Punkte sind Termine und Qualität: Auch wir möchten pünktlich und in der geforderten Qualität fertig werden. Darum müssen wir sehr gut organisiert sein. Manchmal frage ich mich, wie man das früher geschafft hat, so ganz ohne Handy…
Neugel: Wir hatten ein Festnetztelefon in der Baracke, dieser Anschluss musste beim Amt bestellt werden. Wenn es läutete, schallte ein Horn über die Baustelle und der Polier musste rennen (lacht). Das ist heute schon einfacher.
Dürr: Ich glaube, früher musste man sich sehr genau überlegen, womit die Leute aus dem Werkhof auf die Baustelle fuhren. Heute denkt man, vielleicht einmal zu viel, der kann ja anrufen, wenn er nicht weiterweiss.
Neugel: Aber man ist schon flexibler als früher.
Dürr: Klar, das ist ja auch ein Vorteil. Aber man muss aufpassen, dass man nicht nachlässig wird und die Arbeitsvorbereitung sauber macht. Darum haben wir auch ein gutes Qualitätsmanagement und entsprechende Checklisten. Aber ein ganz entscheidender Vorteil von Handys und Tablets ist, dass man die entsprechenden Pläne auf diesen Geräten hat. Man kann auch schnell ein Bild machen und versenden, damit man sicher vom selben spricht. Diese Visualisierung macht die Kommunikation sehr viel einfacher.
Ich glaube, früher musste man sich sehr genau überlegen, womit die Leute aus dem Werkhof auf die Baustelle fuhren.
Lukas Dürr
Neugel: Es ist heute sicher einfacher, wenn man ein Detail besprechen muss. Das musste früher oft vor Ort mit dem Architekten besprochen werden. Habt ihr heute noch etwas auf Papier?
Dürr: Ja, es ist alles auch noch auf Papier vorhanden. Aber gleichzeitig liegt auch alles digital vor. Besonders cool ist, dass wir heute 3D-Modelle haben. Man sieht dann sehr schnell, wo es beispielsweise einen kleinen Absatz hat. Aber Pläne lesen muss man auch heute noch können.
Neugel: In den sechziger Jahren mussten wir die Leute zum Teil noch intensiv ausbilden. Da fehlte zu Beginn manchmal das grundlegendste Wissen. Aber das waren oft Menschen, die wissbegierig und handwerklich geschickt waren.
Dürr: Es ist heute sehr schwierig, gute Leute zu finden. Der Fachkräftemangel ist ein grosses Thema in der Baubranche. Darum wird bei uns einen grossen Wert auf die Ausbildung von Lernenden gelegt. Für unser Lehrlingslager sind wir bekannt. Die jungen Leute dürfen dann zwei oder drei Wochen ihr eigenes Projekt umsetzen.
Jäggi+Hafter bietet regelmässig Lehrstellen für die Berufe Maurer/-in EFZ / EBA sowie Zimmermann / Zimmerin EFZ / EBA an. Mit unserem gut ausgebildeten Baustellenpersonal können wir den Lernenden optimale Bedingungen für den Einstieg in die Berufswelt bieten. In einer abwechslungsreichen Ausbildung lernen die jungen Berufsleute viel Know-how, so dass nach dem Abschluss die Türen in der Bauwelt weit offen stehen.
Information LehrstellenNeugel: Das hat immer auch einen sozialen Aspekt, beispielsweise eine Hütte in den Bergen wieder aufzubauen, die von einer Lawine zerstört wurde. So ein Lehrlingslager fördert auch das Gemeinschaftsgefühl.
Dürr: Genau, so versuchen wir, junge Leute für unsere Branche zu begeistern und ihnen auch Perspektiven zu zeigen. Aber viele gehen wieder weg, aus den unterschiedlichsten Gründen.
Neugel: Die Arbeit des Maurers hat leider ein schlechtes Image. Die Arbeit ist streng, gefährlich, und man ist draussen bei Kälte und Hitze. Das wirkt auf viele Leute nicht attraktiv.
Dürr: Darunter leiden wir noch heute, obwohl diese Vorurteile nichts mit der Realität zu tun haben. Leute, die auf dem Bau arbeiten, dürfen eine anspruchsvolle Ausbildung absolvieren. Wer einen Schalungsplan oder Armierungsplan wirklich lesen und handwerklich umsetzen kann, hat auch intellektuell einiges auf dem Kasten. Kommt dazu, dass es auf dem Bau sehr viele Arbeitsprofile gibt. Schalungsbau und Mauerwerksarbeiten haben zum Beispiel völlig unterschiedliche Anforderungen. Das wird oft unterschätzt.
Unsere Leute verdienen gutes Geld. Klar, es ist streng. Aber vielen Menschen macht es Spass, körperlich und geistig zu arbeiten.
Hans Neugel
Neugel: Nicht vergessen sollte man die Karrieremöglichkeiten. Und auch der Verdienst ist nicht von schlechten Eltern.
Dürr: Das scheint mir ein wichtiger Punkt. Ich finde meine Arbeit auf dem Bau sehr spannend, vielseitig und abwechslungsreich. Ich würde nichts anderes machen wollen. Ich schnupperte damals vor der Lehre im KV und fand das furchtbar langweilig (lacht). Was oft vergessen geht: Auch auf dem Bau ist Innovation und Digitalisierung ein grosses Thema. Das ist doch spannend!
Neugel: Stimmt! Das war schon zu meiner Zeit so. Wir entwickelten damals für spezielle Arbeiten unsere Schalungen selbst weiter, damit wir effizienter werden konnten. Auch bezüglich des Maschinenparks gab es in den letzten Jahren grosse Veränderungen.
Dürr: Eine grosse Innovation in den letzten 20 Jahren sehe ich vor allem in der Digitalisierung. Über Smartphones und digitale Pläne haben wir schon gesprochen. Planung und Offertwesen sind heute massiv im Umbruch.
Neugel: Als ich angefangen habe, nutzten wir noch den Rechenschieber für unsere Berechnungen. Ich war dankbar, als ich später für Offerten Excel einsetzen durfte. Damit berechnete ich Millionenprojekte. Diese Tabelle war mit der Zeit sehr gut organisiert und mit Formeln hinterlegt.
Dürr: Die würde ich gern mal sehen, das wäre sehr interessant (lacht). Excel nutze ich heute noch, das ist für mich noch immer das Tool der Wahl.
Neugel: Das zeigt doch wieder die Vielseitigkeit der Arbeit auf dem Bau. Einerseits reden wir über das Maurerhandwerk, das es seit hunderten von Jahren in praktisch unveränderter Form gibt. Und im nächsten Moment diskutieren wir die Folgen der Digitalisierung. In welcher Branche gibt sowas noch?
Lukas Dürr, 35, machte eine Lehre als Maurer EFZ und bildete sich 2012 bis 2014 zum Dipl. Techniker HF Bauführung weiter. Seit 2014 arbeitet er als Bauführer, seit 2021 ist bei Jäggi+Hafter tätig.
Hans Neugel ist Eidg. Dipl. Baumeister und arbeitet seit 1962 bei Jäggi+Hafter. Dort wirkte er zuerst als Bauleiter, später als Geschäftsführer und heute noch als Mitglied des Verwaltungsrates.
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